Verhaltensorientierte Therapien
Verhaltenstherapie - Verhaltenspsychologie
Die Methoden der Verhaltenstherapie haben unterschiedlichste Herkünfte. Im Zuge der Ergebnisse der experimentellen Lernpsychologie könnte man auch den Beginn der Verhaltenstherapie sehen. Die Erkenntnisse des russischen Physiologen Iwan P. Pawlow (1849-1936) waren hierfür wegbereitend. 1904 entdeckte er das Prinzip der klassischen Konditionierung. Aus diesen Untersuchungen folgten weitere Ergebnisse in der Versuchsanordnung mit Tieren und Menschen. John B. Watson (1878-1958) begründete dann 1913 den sog. Behaviorismus (Reiz-Reaktions-Psychologie).
Im Vordergrund der Untersuchungen stand immer das Lernen. Hieraus entwickelten sich vielfälige Lerntheorien. Man geht davon aus, dass jedes Verhalten irgendwie erlernt wurde. Das Erlernte kann jederzeit wieder verlernt oder erweitert werden, wenn die richtigen Stimuli angesetzt werden. Verhalten und Erleben kommt durch Lernprozesse zustande. Durch entsprechende verhaltenstherapeutische Maßnahmen sollen falsche Einstellungen, Gewohnheiten und emotionale Reaktionen gezielt verlernt werden.
Die Technik der Introspektion (Selbsterkenntnis und Innenschau) verbannte der Behaviorismus komplett aus den Anwendungen (Antiintrospektionismus). Mentale Prozesse wurden auch gezielt aus den Forschungen ausgenommen. Man reduzierte das Verhalten und Erleben des Menschen auf rein biologisch überprüfbare Prozesse. Des "Seelenleben" wurde quasi auf wissenschftlich überprüfbarere Prozesse (Gehirn) reduziert (Reduktionismus). Der Mensch galt als eine "black box". Er nahm Reize auf und reagierte darauf. Viele Methoden der VT wurden über Tierversuche entwickelt - die operanten und klassischen Konditionierungen waren und sind bekanntlich auch in der Dressur zu finden.
Anfang 1970 kam dann die "Kognitiven Wende". Man hatte Kognitionen (Einstellungen, Erwartungen, Überzeugungen) als verhaltenssteuernde Komponenten entdeckt. Einige namhafte Verhaltenstherapeuten waren an diesem Paradigmenwechsel maßgeblich beteiligt: Bandura (Modelllernen), Meichenbaum (Selbstinstruktionstraining), Lazarus (multimodale Therapie) sowie Kanfer (Selbstregulation).
Mit diesem Zugeständnis innerer Prozesse konnte Verhalten und Erleben immer detaillierter beschrieben werden. Auch die Empirie hatte darunter nicht wirklich gelitten. Es wurden klare therapeutische Wege beschrieben und peinlich genau eingehalten:
- Verhaltensanalysen nach klaren Strukturen (motorisch, kognitiv, emotional, physiologisch)
- Beschreiben der Bedingungen, die eine Störung aufrecht erhalten
- Therapiekonzepte entwickeln, die Veränderungen bewirken
- Dysfunktionale Gedanken und Annahmen erfassen und neu formulieren
- Klare Zielsetzung im Hier und Jetzt im Vordergrund
- Fokus der Therapie ist die Gegenwart
- Der Therapeut ist mehr als Coach oder Trainer zu sehen (sehr aktiv)
- Die Therapie ist eindeutig problemorientiert
Überblick der Verhaltenstherapie
Grundprinzipien der Verhaltenstherapie
(SCHMELZER 1985; KANFER et al.1991; MARGRAF 1996; GRAWE 1998)
- Orientierung an empirischer Psychologie
- Verhaltensorientierung
- Störungsorientiert (symptombezogene Behandlungsstrategie)
- Zielgerichtetheit (Festlegung der einzelnen Zielebenen)
- Problemlöseorientierung
- Handlungs- und Bewältigungsstrategien
- Selbststeuerung (Selbstmanagement, Förderung der Selbständigkeit)
- Selbstverantwortung und Eigenaktivität des Patienten
- Transparenz und Erklärung der therapeutischen Abläufe
- Kooperative Arbeitsbeziehung zwischen Therapeut und Klient
- Emanzipatorisches Menschenbild
- Lern- und Erfahrungsorientierung
- Gegenwartsorientierung
- Bezug zur „wissenschaftlichen“ Vorgehensweise
- Verpflichtung zur Erfolgsüberprüfung und Evaluation
- Anwendungsorientierte Diagnostik
- Hypothesenleitung und ergebnisorientiertes Optimieren
Der Therapeut und der Patient übernehmen in dem verhaltenstherapeutischen Arbeitsbündnis eine aktive Rolle ein, beide sind bemüht konkret und transparent an der Veränderung zu arbeiten. Neben der Vermittlung um Faktenwissen über die Symptomatik, deren Entstehung mit den Konsequenzen von Rückzug und Vermeidung sowie deren Aufrechterhaltung auf dem Hintergrund der lebensgeschichtlichen Entwicklung werden durch gezielte Übungen z.B. in Form von schriftlichen Ausarbeitungen, Tages- und Symptomprotokolle, konkrete Verhaltensanweisungen und Rollenspielen ein neues Verhalten trainiert, wobei der Therapeut die Vorgaben macht und der Patient das Tempo bestimmt.